Der Beitrag von Herrn DI Werner Gamerith zur Chausa "Futterwiesen statt Blumenwiesen" seitens der NÖ-Landwirtschaftskammer findet unsere uneingeschränkte Zustimmung. Wir hoffen auch im Interesse der mitdenkenden Bauern, dass seitens der Landwirtschaft eine weitere Beschleunigung des Ökostystemzerfalls durch kurzsichtige Sackgassenstrategien nicht länger akzeptiert wird. Der leider peinliche Aufruf zur Vernichtung von Blumenwiesen durch die Landwirtschaftskammer ist hier einzusehen: --> pdf

 

Zum Glück gibt es noch Blumenwiesen. Nicht nur auf Tourismusplakaten und bunt verpackten Nahrungsmitteln, sondern wirklich in der Landschaft, wenn auch immer seltener. Dennoch scheint die Landwirtschaftskammer Niederösterreich in ihnen eine Bedrohung zu sehen.

In ihrem an alle Landwirte verteilten Blatt „Die Landwirtschaft“ beschwört sie ihre Leser mit dem Magerwieseprogrammatischen Titel „*Damit Futterwiesen nicht zu Blumenwiesen werden *“ und macht einleitend auch gleich emotional mobil mit haarsträubenden Feindbildern: „Aus ungedüngten Wiesen werden schnell Blumenwiesen – mit unrentablen Unkräutern, Wild- und Giftpflanzen. Und solche Flächen laufen Gefahr, unter Naturschutz gestellt zu werden. Düngen zahlt sich daher aus vielen Gründen aus.“ Blumen sind also unrentabel, Naturschutz ist eine Gefahr, und Düngen schützt vor beiden. Auf diese Einstimmung folgen Tabellen mit empfohlenen Düngermengen für Phosphor, Kali und Stickstoff, sogar auf die Möglichkeit der behördlichen Bewilligung von Grenzwertüberschreitungen wird hingewiesen.


Ein bissiger Kabarettist könnte die Schizophrenie unseres nicht zuletzt für die Landschaftserhaltung subventionierten Agrarsystems nicht besser auf den Punkt bringen als diese ernst gemeinte Selbstdarstellung. Als ob es Schadstoffbelastung, Artenschwund und andere weltweit thematisierte Probleme der Landwirtschaft nicht gäbe, wird da wie vor 50 Jahren der weitere Zukauf von Düngemitteln empfohlen. Blumen mit ihrem Insekten- und anderen Tierleben, die als Staffage für den Bauern als Landschaftspfleger so beliebt sind, werden nicht nur durch die Düngung vertrieben, sondern ungeniert auch gleich zu ertragsmindernden Widersachern abgewertet. Eine Bauernvertretung, die ihre Mitglieder vor Blumenwiesen warnt, aber gleichzeitig nach außen mit diesen plakativen Symbolen ihre Naturverbundenheit demonstriert, betreibt eine bewusste Irreführung, macht sich öffentlich unglaubwürdig.

Wiesen aller Intensitätsgrade sind Futterwiesen. Dem Mähen zur Gewinnung von Heu, Grün- oder Gärfutter verdanken sie ihre Existenz. Durch den Import von Dünger und Kraftfutter haben allerdings viele Betriebe ihren Viehbestand pro Hektar erhöht, womit mehr Mist, Jauche oder Gülle anfällt. Der gesteigerte Nährstoffumsatz bedingt immer häufigere Schnitte bei immer weniger Pflanzenarten, die bei diesen Bedingungen noch überleben und regenerieren können. Dazu gehören übrigens auch die unangenehmsten Unkräuter wie Stumpfblattampfer und Wiesenkerbel, die man durch vermehrte Düngung sicher nicht los wird.

Der Abschied der Blumen aus dem zunehmend naturfernen Einheitsgrünland ist für den Außenstehenden das auffälligste Symptom der Überdüngung, die Belastung von Grund- und Oberflächenwasser ein weiteres. Viele Bauern erkennen auch in abnehmender Gesundheit und Nutzungsdauer des Viehs, in steigenden Kosten für Tierarzt und Medikamenten ökologische und ökonomische Grenzen der Intensivierung. Nicht zuletzt fördert die Überproduktion den Preisverfall und die Aufgabe der für die Kulturlandschaft so wichtigen kleinbäuerlichen Betriebe. Die Empfehlung einer weiteren Aufdüngung hat daher weniger mit dem Stand der Wissenschaft zu tun als mit reiner Produktwerbung.

Am konsequentesten besinnt sich die Biolandwirtschaft auf eine Nahrungsproduktion, die vorwiegend auf den Leistungen eines reich belebten Betriebsorganismus beruht und nicht auf Rohstoffinput, Artenverlust und Zerfall von Ökosystemen. Es gibt auch Bauern, die mit Blumenwiesen gut leben und wirtschaften, sich ihrer Schönheit erfreuen und diese mehr oder weniger bewusst als Ausdruck einer inneren Harmonie dieser Symbiose von Mensch und Natur empfinden. Sie alle werden sich fragen, welchen Interessen ihre Standesvertretung, die sie mitfinanzieren, mit diesem Aufruf dient.

Eine zusätzliche Enttäuschung liefert der Kammerpräsident. Als Gründungsobmann des legendären Distelvereines hat Hermann Schultes vor Jahrzehnten viele Bauern im Marchfeld zu ökologischen Verbesserungen angeregt. Bei seinem Grünlandberater hat er dieses Ziel inzwischen offenbar aufgegeben und verteidigt in einer Stellungnahme dessen von keinerlei ökologischem Bewusstsein getrübte Empfehlungen. So scheint einmal mehr das Funktionärsdasein imstande zu sein, auch einen fortschrittlichen Pioniergeist zu neutralisieren.

Der unglaubliche Zynismus dieser naturfeindlichen Aufforderung sollte lauten Widerspruch ernten – von Konsumenten und denkenden Bauern, von Vereinen und Medien. Die Landwirtschaft muss wieder daran erinnert werden, dass es zu ihren wesentlichen Aufgaben gehört, ihre Lebensräume zu erhalten und nicht zu ruinieren. Bitte verbreitet die Diskussion und haltet sie lebendig.

 

W. Gamerith

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Eine Stellungnahme vom Oberösterreichischen Naturschutzbund, durch den Obmann-Stv. Manfred Luger, ist hier einzusehen.

 

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